GOETHE: POLITIK GEGEN DEN ZEITGEIST

"Noch ein Buch über Goethe also", so könnte man meinen angesichts der großen Zahl an Titeln, die dem Nationaldichter der Deutschen in dessen 250. Geburtsjahr gewidmet sind. Doch mancher Seite an Goethes Schaffen ist tatsächlich bislang überraschend wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Eine davon ist jene, der sich der Berliner Politologe Ekkehardt Krippendorff in seinem neuesten Buch gewidmet hat: Goethe als Politiker und als politischer Denker.
Der Autor präsentiert uns den politischen Goethe nicht nur als einen Menschen, der in weiser Voraussicht die Gefahren benannte, die er mit dem aufkommenden Nationalismus heraufziehen sah. Er zeigt uns auch, wie sehr der Jurist Goethe seine Teilhabe an der Macht als Auftrag verstand, Anwalt jenerzu sein, die weniger privilegiert waren, als er selbst und der eindringlich -- wenngleich vergebens -- warb für eine "Politik mit der Natur".

Manchen, die sich in der Vergangenheit publizistisch mit dem Minister Goethe beschäftigt haben (oder eben auch nicht), war dessen praktisch-politische Tätigkeit wohl eher ein Dorn im Auge. Wieviel mehr hätte uns der geniale Schriftsteller vielleicht hinterlassen können, so mögen sie argwöhnen, wenn er sich nicht hätte ablenken lassen durch seine Ämter."Ablenken" von seiner dichterischen Tätigkeit ließ er sich freilich auch von seinen anderen, vielfältigen Interessen, etwa der Malerei und den Naturwissenschaften. Aber dies sieht man ihm gerne nach, bewundert vielmehr seine Vielfältigkeit. Doch auch des Dichters politisches Denken verdient Beachtung. Einfältig war auch dieses nicht! Für diese Sicht jedenfalls plädiert Krippendorff bei seiner Besichtigung des Politischen in Goethes Werk und Wirken. Und er tut dies überzeugend. So überzeugend, daß am Ende zumindest für Krippendorff selbst der politische Denker und Politiker Goethe dem Dichter an Bedeutung kaum mehr nachsteht.